ODER: MIT LIEBE GETOPFT!
Satte Almwiesen stehen in voller Blüte, zufriedene Milchkühe muhen, ein Bauer rollt ein hölzernes Fass aus der idyllischen Dorf-Molkerei – flimmer, rausch, reset, völlig falsches Bild! Nochmal auf Anfang: Die Südseite des Münsteraner Hafens gegenüber des hippen Kreativkais, stadtentwicklungstechnisch noch nicht ganz erschlossen, aber gerade komplett im Umbruch. Urbanes Flair, gepaart mit einer ordentlichen Portion Industrie-Charme, festzumachen nicht nur an „Elefant“, „Giraffe“ und „Schildkröte“… So, jetzt haben wir das richtige Setting: Es kann losgehen!
Moderne Wege …
Wenn du häufig im Bioladen einkaufst, kennst du sicherlich die Milchprodukte der „Biomolkerei Söbbeke“!? Die steht zwar nicht am Stadthafen, sondern in Gronau-Epe, bezieht ihre Bio-Milch u.a. aus dem Münsterland und ist von entscheidender Bedeutung für unsere Geschichte. Es ist nämlich die Tochter von Groß-Molker Paul Söbbeke, Ann-Paulin, die zwar als ausgebildete Molkereitechnologin schon irgendwie in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollte – aber eben auf eine ganz andere Art – und die „Hafenkäserei“ an eingangs erwähnter Kulisse gründete.
Gut, dass „Käpt´n“ Ann-Paulin von ihrer inzwischen über dreißig-köpfigen Crew unterstützt wird, denn ihr „Schiff“ ist nicht gerade klein und wendig. Als sie 2012 mit der Bauplanung begann, war sie quasi einer der Pioniere an der Südseite des Hafens.
Auf der Freifläche neben dem Flechtheimspeicher entstand die viergeschossige gläserne Manufaktur mit viel Sichtbeton und Ausblick…
2015 in Betrieb genommen, 2016 um das Bistro erweitert kam jüngst auch noch in Zusammenarbeit mit der Münsteraner „Finne“-Brauerei ein Restaurant mit Fusionsküche hinzu, indem du nicht nur den selbst hergestellten Käse und das eigene Bier genießen kannst, ebenfalls mit bestem Ausblick!
Eine Etage höher findet sich eine große Eventfläche – inzwischen sind auch Hochzeitsfeiern in der „Hafenkäserei“ sehr beliebt…
Von hier aus kannst du die Molker durch eine große Glasscheibe bei den einzelnen Arbeitsschritten beobachten – Stichwort „Gläserne Manufaktur“ –und dir bei einer Führung Details über ein altes Handwerk im neuen Gewand erläutern lassen.
… einer alten Tradition
Ah, jetzt kommt endlich das Holzfass? Nein, die Tradition bezieht sich nicht auf schlecht zu reinigende Arbeitsgeräte, sondern auf die einzelnen Produktionsschritte des Münsteraner Bio-Käses: Das Vermengen von frischer Milch mit Milchsäurebakterien und Lab, das Ruhen, Entstehen von Gallerte und Schneiden von Molkebruch, das Abschütten der Molke, das Topfen und Pressen – das wird schon ganz lange so gemacht.
Auch Baden muss der Käse, und dadurch bekommt er den eigenen Geschmack der Käserei. Das Salzbad wird nämlich niemals ausgetauscht; es ist wichtig für den Geschmack und jeder treue Käsekäufer würde eine Veränderung sofort schmecken.
Besonders an der Käse-Pflege, die allein schon den ganzen Arbeitstag eines Mitarbeiters füllt, kannst du das Handwerk erkennen: Bis zur 6. Woche wird jeder einzelne Käse täglich gewendet, der Rotschmierkäse außerdem mit entsprechenden Bakterien eingepinselt, damit er seine ganz besondere Würze und seine Farbe erhält.
Wie kann man das Beste der Milch erhalten, geschmacklich verbessern und dazu noch lagerfähig machen? Käse wurde eigentlich aus der Not geboren und hat sich im Laufe der Jahrtausende zu einer Spezialität mit tausenden, unterschiedlichen Varianten entwickelt. Grundlage für alle Arten ist die Milch, bei der Hafenkäserei vertraut man auf die regionale Söbbeke Bio-Milch aus dem Münsterland, denn ein gutes Produkt kann nur aus guten Zutaten entstehen.
Aus dem Besten von 10 Litern lokaler Bio-Milch wird 1 Kilo Hafenkäse gewonnen. Damit von diesem wertvollen Rohstoff nichts verloren geht, gibt es in der Hafenkäserei gleich zwei 30.000 Liter Tanks. Einen für die frisch angelieferte Milch und einen für die Molke, sozusagen der „Abfall“ bei der Käseerzeugung. Wobei man von Abfall hier nicht sprechen kann, denn Molke besteht zwar größtenteils aus Wasser, enthält aber immer noch einige Vitamine, Mineralien und Nährstoffe der Milch. Daher wird die Molke der Hafenkäserei an einen regionalen Bio-Schweinemäster weitergegeben, so dass wirklich nichts weggeworfen wird. Kleiner Genießertipp: ein guter Käse, eine kräftige Salami und Feigen-Senf-Sauce sind ein hervorragender Begleiter zu einem schmackhaften „Finne“-Bier (Rotwein kann ja Jeder 😉).
Den verschiedenen Käsesorten der Hafenkäserei werden keine Aroma- und Konservierungsstoffe zugesetzt; eben ganz wie früher. Das einzigartige Aroma entsteht durch die gute Milch, die Sorgfalt bei Zubereitung und Lagerung sowie natürliche Zugaben wie Bockshornklee oder Fenchel (natürlich ebenfalls aus Bio-Anbau).
Geschmacklich noch vielfältiger wird es dann beim Rotschmierkäse. Diese Käsesorten werden mit einer Schmiere aus speziellen Bakterien und verschiedenen, gerne auch alkoholischen Zusätzen veredelt. Beim „Blauen Barbier“ kommen hier z. B. Blaubeeren, Rosmarin und Whisky (wie gehabt alles in Bio-Qualität) zum Einsatz. Der „Freche Fockaffe“ darf hingegen den Geschmack von Bio-Honigmalzbier in sich aufsaugen. Keine Angst, die Käse sind am Ende genauso alkoholfrei wie alle anderen auch, aber das besondere Aroma, das wir an gutem Wein, Bier oder Whisky schätzen, dringt in den reifenden Käse ein und führt zu besonderen Geschmackserlebnissen.
Apropos besondere Geschmackserlebnisse: Am Tag meiner Führung durch die Hafenkäserei war ich erstaunt, auf alte Bekannte zu treffen. Das Team der „Bömskes Bonbon-Manufaktur“ war ebenfalls vor Ort, um sich anzuschauen, wo der Käse herkommt, den sie gerade probeweise in ihre Bömskes integrieren. Ich hoffe, dass ich daher bald einen neuen Genießertipp zum „Finne“-Bier (oder auch einfach so) verkünden darf: Münsteraner Bömskes gespickt mit Käsestückchen aus der Hafenkäserei.
Das Foto von Ann-Paulin wurde mit freundlicher Unterstützung zur Verfügung gestellt von:
Hafenkäserei, Am Mittelhafen 20, 48155 Münster
https://www.finne-brauerei.de/