POTT´S BRAUEREI – EIN FAMILIENUNTERNEHMEN ZWISCHEN TRADITION UND INNOVATION

ODER: WIRD „CRAFT BIER“ DAS NEUE IN-GETRÄNK?

 

Als ich noch im Sauerland wohnte, hatte ich mal einen Nachbarn, der aus dem Münsterland zugezogen war. Eigentlich ein sehr unkomplizierter Mensch, doch wenn´s ans Feiern ging, bestand er hartnäckig darauf, die (doch vermeintlich guten!?) sauerländischen Brauereierzeugnisse zu verweigern und sein „Pott´s Landbier“ zu trinken. Alternativen gab´s nicht. Über solche Beharrlichkeit mag man sich nun wundern, oder auch nicht, jedenfalls war das mein Erstkontakt mit „Pott´s“. Ein paar Jahre ist das jetzt schon her, in der Geschichte der Brauerei ist das aber eher ein Wimpernschlag. Die feiert nämlich in diesem Jahr ihren 250. Geburtstag. Über eine derart lange Unternehmensgeschichte kann man wohl ganze Bücher schreiben… Das habe ich nicht vor. Daher beschränke ich mich auf die Innovationen, die die aktuelle und vorangegangene Generation des Familienunternehmens auf den Weg gebracht hat:

 

Potts Schild

 

Innovation der sechsten Generation: Die gläserne Produktion

 

Nach vielen Jahren der innerstädtischen Produktion wurde es der Altstadtbrauerei zu eng, denn es sollten neue Pläne realisiert werden: Eine gläserne Produktion, bei der der Bierliebhaber jeden einzelnen Schritt genau verfolgen und noch dazu einiges über die Brauereigeschichte lernen kann. So wurde 1996 der Grundstein für die gläserne Erlebnisbrauerei nahe der Autobahnabfahrt Oelde gelegt. Nach und nach wurde der Gebäudekomplex erweitert, sodass inzwischen der gesamte Produktions- und Abfüllprozess hier stattfindet – und noch jede Menge mehr:

 

Potts Brauerei

 

Egal, ob du dich einem der Erlebnisprogramme anschließt oder dich auf eigene Faust auf Erkundungstour machst: du kannst einfach überall reinschauen! Große Schaufenster bieten Einblicke in sämtliche Arbeitsbereiche, sogar in die Qualitätssicherung, und von der Besichtigungstribüne hast du den Überblick über ein sich durch verschiedenste Maschinen schlängelndes Fließband.

 

Potts Produktion

 

Hier werden die Flaschen zunächst gründlich gereinigt und inspiziert, bevor sie wieder neu befüllt werden. Die Maschine, die den für „Pott´s“ typischen Bügelverschluss schließt, musste erst im Auftrag der Brauerei entwickelt werden. So kommen nicht nur Bier-, sondern auch Technikfreunde voll auf ihre Kosten.

 

Besichtigungstribüne Flaschenabfüllung

 

Weiter geht die Entdeckungstour ins „Georg-Lechner-Biermuseum“. Besagter Namensgeber stellt hier aus, was er in seinem Leben zum Thema „Bier“ gesammelt hat. Es gilt, Flaschen aller Zeiten und Marken und Krüge zu bestaunen, und auf wahre Kenner wartet eine Sammlung von über 200.000 Etiketten, fein säuberlich archiviert, und eine vollständige Sammlung einer historischen Brauzeitung, die für die „ungeduldigen“ Besucher aber auch übersichtlich zusammengefasst wurde. Einfach unglaublich, ich nehme an, das ist wirklich einzigartig!

 

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Ein Abstecher ins „Brunnenkino“ sollte unbedingt noch drin sein. Hier dreht sich alles um einen der vier Rohstoffe von Bier, nämlich um Wasser. Das wird aus den eiszeitlichen Tiefen des Münsterlandes der eigenen Quelle entnommen und ist von so guter Qualität, das mit „Gesaris“ auch Mineralwasser und Erfrischungsgetränke Einzug in die Oelder Brauerei erhalten haben. Die Bedeutung des Wassers kann der Besucher in zwei unterschiedlich langen Filmen ansehen, die jederzeit per Knopfdruck selbst gestartet werden können. Ich würde übrigens den längeren empfehlen, bei dem zwischendurch Wasser quasi von der Decke fällt…

 

Potts Brunnenkino

 

So viel entdecken ist anstrengend, gleich nebenan im „Pott´s Brau- und Backhaus“ gibt´s die passende Stärkung: Entweder, du lässt dich in uriger Atmosphäre nieder und genießt die Spezialitäten der hauseigenen Metzgerei und Bäckerei und natürlich die zahlreichen Brauereierzeugnisse direkt oder du nimmst dir zum Beispiel ein vor deinen Augen frisch gebackenes Brot mit nach Hause.

 

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Um dich an diesen zahlreichen Stellen zu begrüßen und natürlich die Produktion zu stemmen, arbeiten derzeit sechzig Menschen hier. Inhaber Jörg Pott, sozusagen die siebte Generation, verrät, ob die Brauerei nun endlich „fertig“ ist:

 

Innovation der siebten Generation: Das Brauatelier

 

Herr Pott, der Biermarkt in Deutschland ist ganz schön in Bewegung. Einerseits wird weniger Bier getrunken, andererseits ist Bier ein echtes „In“-Getränk geworden. Die Stichworte der neuen Biertrinker-Generation lauten „Craft Bier“ und „Pale Ale“. Wie nehmen Sie diese Herausforderungen wahr?

Wir freuen uns, dass wieder kreativer mit dem Thema umgegangen wird. Bier bietet eine unglaubliche Bandbreite an Variationen und unterschiedlichen Geschmacksrichtungen, die wir gern zeigen wollen. Daher haben wir das „Brauatelier“ eingerichtet, sozusagen die kreative Schmiede der Braukunst. Hier haben wir auch unsere eigenen Kreationen „Farmhouse Ale“, „Dinkel-Märzen“ und „Hopfen-Weisse“ entwickelt. Wir nutzen aber das „Brauatelier“ nicht nur selbst, sondern wir wollen auch Start-ups und kleinen Brauereien die Steigbügel zur professionellen Bierproduktion bieten.

 

Potts Brauatelier

 

„Craft Bier“-Enthusiasten können dort also auch selbst brauen und abfüllen lassen? Haben Sie keine Angst vor der Konkurrenz?

Überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Das Ganze macht es interessanter, vielfältiger, das ist per se gut für den Markt. Häufig ist Wein das große Thema, aber Bier steht dem in nichts nach. Auch hier kann man schauen, welches Bier passt gut zu welcher Speise, welche internationalen Trends gibt es? Wie können historisch interessante Rezepte innovativ umgesetzt werden? Ich empfinde die Neueinsteiger, die Querdenker, als Bereicherung in der Branche. Das ist eine Aufbruchstimmung, die man nur unterstützen kann!

 

Brau_Atelier_0025

 

Die „Pott‘s Brauerei“ ist ein Familienbetrieb, dessen Geschichte bis ins Jahr 1769 zurückreicht. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Tradition und der gerade beschriebenen Innovation?

Spagat ist tatsächlich das richtige Wort. Denn genauso wichtig wie der Erneuerungsprozess sind mir auch die Wurzeln. Die Brauerei ist stark in Tradition und Region verankert und wird es auch bleiben. Dass man gern in geselliger Runde und gemütlicher Atmosphäre ein Bier trinkt, war früher schon so, hat sich heutzutage aber auch nicht geändert. Es gibt also durchaus verbindende Elemente…

 

Brau_Atelier_0125

 

Sie selbst sind diplomierter „Biersommelier“ – eine Berufsbezeichnung, die wohl noch vor wenigen Jahren Erstaunen hervorgerufen hätte. Wie wird man Biersommelier?

Das ist ein zweiwöchiger Lehrgang, der in München beginnt und an der „Genussakademie“ in Österreich endet. Im ersten Teil geht es um die Theorie. Man lernt zum Beispiel die „Biersprache“ kennen. Denn genauso wie beim Wein ist es nicht immer ganz leicht, den erlebten Geschmack in die richtigen Worte zu fassen. Anschließend lernt man die gesamte Biervielfalt kennen. Da habe ich einiges verkostet, was ich vorher selbst noch gar nicht kannte. Seit inzwischen zwölf Jahren nehmen einige unserer Mitarbeiter an dieser Ausbildung teil. Es tut der Branche gut, wenn es auch richtige Bierkenner und -liebhaber gibt.

 

Brau_Atelier_0017

 

Apropos Sommelier: Mit dem „Barleywine“ haben Sie jetzt auch ein limitiertes, wein-ähnliches Bier im Programm. Was kann ich mir darunter vorstellen?

Das ist eine ganz spannende Geschichte, wo das Bier im Holzfass reift. Dazu braucht das Bier allerdings einen hohen Alkoholanteil und einen starken Eigengeschmack, sonst würde die holzige Note ihn komplett überdecken. Unser „Barleywine“ hat 9,4 Prozent Alkohol, ist also eher ein Aperitif als ein klassisches Bier. Er wird mit Bier- und Weinhefe vergoren und erhält durch den Holzkontakt eine Sherry-Note. Wichtig ist, dass man zwischendurch mal ins Fass schaut und eine Probe verkostet, damit man ihn im idealen Moment entnimmt.

 

Potts Fässer

 

Worin liegt für Sie das Geheimnis eines guten Bieres?

Es muss einerseits seinen eigenen Charakter und einen gewissen Wiedererkennungswert haben. Andrerseits ist es aber auch wichtig, dass es „rund“ und angenehm schmeckt, sodass man Lust auf ein Zweites oder Drittes hat. Bei einigen „Craft Bieren“ ist manchmal eine gewisse Geschmacksnote derart überdehnt, dass man nach dem Ersten genug davon hat. Und Bier ist nun mal ein Lebensmittel, was man selten einzeln genießt.

 

Schatzkammer Holzfässer

 

In meinem Blog geht es um das „Zauberhafte Münsterland“. Was macht für Sie den Charme des Münsterlands aus?

Auf jeden Fall die Natur mit ihren wunderbaren Radwegen und Erholungsmöglichkeiten. Dann aber auch ganz besonders die Menschen: Sie sind zwar vielleicht zurückhaltender als anderswo, aber dafür gilt ein gesprochenes Wort bei ihnen. Auf die Münsterländer kann man sich verlassen!

 

Biersalon_0074

 

Wenn man Ihre Brauerei besichtigt, was sollte man sich noch in Ihrer Heimatstadt Oelde ansehen?

Unbedingt den Vier-Jahreszeiten Park. Das war ehemals das Gelände der Landesgartenschau, und ist wirklich wunderschön, gerade im Frühling!

 

Biersalon_0089

 

Ob mein eingangs erwähnter, ehemaliger Nachbar aufgrund des Geschmacks so überzeugt vom „Pott´s“ Bier war oder ob er sich bei einem Besuch in Oelde von der erlebten Begeisterung für dieses Bier anstecken ließ, ich weiß es nicht. Jedenfalls lohnt sich ein Ausflug zu „Pott´s“ auch für Nicht-Bierfans, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, und für die anderen sowieso!

Pott´s Brauerei, In der Geist 120, 59302 Oelde

www.potts.de

https://www.facebook.com/pottsbrauerei/

Einige der im Artikel verwendeten Fotos wurden von der Pott´s Brauerei zur Verfügung gestellt.

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