ANTIQUARIAT SOLDER – HINTER DEN KULISSEN BEI „WILSBERG“

ODER: WENN DER EIGENE ARBEITSPLATZ ZUM DREHORT WIRD…

 

Ein Antiquar sitzt konzentriert inmitten der zehntausend Bücher seines Ladens und studiert seine neueste Errungenschaft: Ein kunstvoll gestaltetes Werk über den Möbelbau aus dem 18. Jahrhundert. Plötzlich hält eine ganze Flotte von Fahrzeugen inklusive 7,5-Tonner mit quietschenden Reifen direkt vor seinem Schaufenster und annähernd sechzig Leute springen heraus, bewaffnet mit Kamera, Mikrofon und jeder Menge anderer, teils skurril ausschauender Utensilien, und stürmen sein Antiquariat… Klingt nach dem Beginn eines guten Krimis, ist es auch. Aber anders, als du jetzt vielleicht denken magst:

 

Antiquariat Solder

 

Das Antiquariat Solder…

 

Wer schon einmal in einem Antiquariat war, weiß: Die Atmosphäre ist einfach unbeschreiblich… Urig, ja fast heimelig, muten Geruch der alten Bücher und Regalreihen voller schöner Einbände fernab der grell beleuchteten modernen Warenpräsentation an.

 

Antiquariat Michael Solder

 

Hier geht es um Besonderheiten, Raritäten, um Geschichten aus der Geschichte, wissenschaftliche Forschung und Erkenntnisgewinnung über längst vergangene Generationen.

 

Antiquariat Solder Regal

 

Besonders beliebt sind solche Orte bei den Studenten der Geisteswissenschaften, die lieber mit drei aufgeschlagenen Büchern auf dem Schreibtisch arbeiten als mit dem PDF-Reader auf dem Tablet. Einer von denen war auch Michael Solder. Gut, er hatte diese Wahl auch nicht, Anfang der 90er Jahre schrieb man seine Hausarbeiten noch auf der Schreibmaschine. Aber ich bin sicher, er hätte sich ohnehin für die Papiervariante entschieden…

 

Antiquariat Solder Regalreihen

 

Seine Buchaffinität brachte ihn nämlich schon zu mittellosen Studentenzeiten dazu, sich stapelweise besonders geschätzte Exemplare in eben diesem Antiquariat am Überwasserkirchplatz zurücklegen und teilweise auch anschreiben zu lassen. Irgendwann brachte das dann den ehemaligen Inhaber auf die Idee, Michael Solder könne seine Schulden doch als Aushilfe abarbeiten. Gesagt, getan, morgens schrieb er seine Magisterarbeit in Philosophie, nachmittags verkaufte er Bücher im Antiquariat. Als der Inhaber dann erkrankte, entschloss sich Michael Solder, das Antiquariat zu übernehmen. Und kurz danach kam „Wilsberg“.

 

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… als Drehort für die „Wilsberg“-Krimis

 

Gut, ganz so beschaulich, wie eingangs beschrieben, geht es im Antiquariat Solder schon lange nicht mehr zu. Es gehört inzwischen zu den meist besuchten Orten in Münster – umso beeindruckender, wenn man bedenkt, was die Stadt alles zu bieten hat… An jenem Vormittag jedenfalls, an dem eine junge Mitarbeiterin des ZDF auf der Suche nach einem Drehort für einen Krimi das Antiquariat betrat, war es noch ruhig und Michael Solder saß konzentriert über seinen Büchern. Kameras in seinem Laden? Mit Fernsehen konnte er eigentlich gar nicht viel anfangen. Und so lehnte er das Angebot ganz spontan ab.

 

Antiquariat Solder Wilsberg

 

Zuhause kam er dann doch nochmal ins Grübeln… Es wäre ja schon interessant, den Filmleuten bei ihrer Arbeit mal über die Schulter zu schauen… Versuchen könnte man es ja mal… Kurzum: Nach einiger Vorplanung rückte an einem Montagmorgen um 6:30 Uhr zum ersten Mal besagte Flotte auf dem Überwasserkirchplatz an.

 

Liebfrauen-Überwasserkirche

 

Im ersten Moment geriet Michael Solder dann schon etwas in Panik, einen solchen Aufwand hatte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Ton, Licht und Maske mussten vorbereitet werden, Requisiten wurden ein- und sein Antiquariat ein wenig umgeräumt, das Schild über der Tür ersetzt. Das alles ging rasend schnell, zumindest aus Perspektive von Michael Solder, der das Ganze von außen beobachtete. Sein Antiquariat konnte er nun nicht mehr betreten, weil es mit den ungefähr zehn Leuten, die für den jeweiligen Dreh gebraucht wurden, wirklich proppevoll war…

 

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Nach ein paar Tagen war der Spuk vorbei, der ZDF-Versuchsballon „Und die Toten lässt man ruhen“ wurde am 20. Februar erfolgreich ausgestrahlt, und auch Michael Solder ließ man nun wieder ruhen. Allerdings nur kurz, nach zwei Jahren meldete sich der Sender erneut, „Wilsberg“ sollte zur Serie werden. Dieses Mal hatte Michael Solder keine Bedenken, schließlich war das Team beim letzten Mal sehr, sehr nett gewesen. Dieser Eindruck bestätigte sich, und so werden seit 1998 jährlich bis zu fünf Folgen in Münster gedreht. Das Team kommt meist im Mai und September, bleibt für zwei bis fünf Tage und dreht meist zwei Folgen in dieser Zeit. Mehr möchte Michael Solder seinen Nachbarn auch wirklich nicht antun, schließlich müssen jeweils Parkplätze und teilweise sogar Straßenabschnitte gesperrt werden, wenn die Dreharbeiten laufen.

 

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Inzwischen ist Michael Solder nicht mehr bei jedem Dreh dabei, er weiß, dass sein Antiquariat in guten Händen ist. Ungefähr vier Wochen vor Drehbeginn findet jeweils eine Motivbesichtigung statt, bei der mögliche Veränderungen besprochen werden. Nur ein Mal ist das Team hierbei an die Grenzen des Antiquars gekommen: Als es darum ging, alle Bücher aus dem Laden zu räumen, weil „Wilsberg“ Inventur machte, musste eine andere Lösung gefunden werden. Das Team bestückte jedes einzelne Buch in einem Regal mit einem kleinen Inventurzettel und für ein anderes Regalabteil wurde doch mal ein „doppelter Boden“ genutzt. Wenn man aber schon in der authentischen Kulisse dreht, ist das aber völlig in Ordnung, oder?

 

Antiquariat Solder leeres Regal

 

Während des Drehs macht Michael Solder dann einfach mal ein paar Tage Pause, er weiß ja, dass er sein Antiquariat bald wieder für sich hat. Und dass es nicht mehr ganz so ruhig ist, freut ihn auch, denn er fachsimpelt ebenso gern mit seinen Kunden über die neuesten alten Bücher, wie er mit „Wilsberg“-Fans über den Unterschied zwischen Film und Wirklichkeit ins Gespräch kommt.

 

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Antiquariat Michael Solder, Frauenstraße 49, 48143 Münster

www.antiquariat-solder.de

www.zdf.de/filme/wilsberg

 

Die Fotos von den Dreharbeiten wurden mit freundlicher Unterstützung zur Verfügung gestellt von: Presseamt Münster / Joachim Busch / Britta Roski

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