ODER: ZEITLOS, WERTIG, ELEGANT…
Wie viele Kleidungsstücke hast du eigentlich im Schrank, die du noch an deine Kinder weitergeben würdest? Wenn ich raten darf: nicht sehr viele. Denn sind wir mal ehrlich: Das Meiste, was wir tragen, ist nicht sonderlich langlebig und überdauert höchstens zwei Sommer / Winter. Und wenn es dann auch noch dem absolut hippsten Trend entspricht, weisst du doch schon beim Kauf, dass das im nächsten Jahr nicht mehr tragbar ist… Irgendwie schade, aber ganz im Sinne der Wegwerf-Gesellschaft. Wenn du länger Freude daran haben willst, müsste das jeweilige Stück hochwertig gefertigt und noch dazu zeitlos im Design sein. Und genau solche Mode macht Siggi Spiegelburg, die ich heute in ihrem Maßatelier am Münsteraner Hafen getroffen habe:
Ich bin ein bunter Vogel mit einem eigenen Stil
Frau Spiegelburg, kaum zu glauben, aber vor über 40 Jahren eröffneten Sie Ihre erste Boutique in Münster. Wie und wann hat Ihre Leidenschaft für Mode begonnen?
Die Leidenschaft für Mode hat im Grunde schon im kleinsten Kindesalter angefangen. Ich habe acht Geschwister, und meine Familie kommt aus der Textil-Branche. Meine Mutter ist eine geborene Brenninkmeyer [Anm.: Gründerfamilie von C&A]. Mein Vater stammt von einem Bauernhof bei Osnabrück, da kommt auch dieser tolle Name her. „Spiegelburg“ klingt ja wie ein Fantasie-Name, ist aber eine alte Hofanlage aus dem 14. Jahrhundert. Die hieß früher „Domus tuspegele“, also das Haus, das sich im Weiher am Hof spiegelt. Und so hat sich dieser Name „Spiegelburg“ über die Jahrhunderte entwickelt, eigentlich eine ganz spannende Geschichte… Mein Vater ist auch mit vielen Geschwistern groß geworden und hat sich immer schon für Mode interessiert. Er lernte meine Mutter kennen, und da war für ihn klar, ins Familienunternehmen zu gehen. Meiner Mutter war der Name „Brenninkmeyer“ eher unangenehm, weil sie auch so erzogen wurde, dass man mit dem Namen nicht prahlt. Und so wurden wir auch erzogen… Ich muss das überhaupt in keinem Interview erwähnt haben; ich möchte nur die Frage beantworten! Ich bin sicherlich stolz, in diese Familie hineingeboren zu sein; das hat mir sehr viele Werte mitgegeben, und eben auch den Wert, dass man sich selbst etwas erarbeiten muss. Mein Vater jedenfalls legte immer großen Wert auf gute Kleidung – und das war auch die Generation, in der man schöne Kleider hatte, die man nur sonntags oder an Festtagen trug. Wenn man damit groß wird, dass man die Wertigkeiten der unterschiedlichen Kleidungsstücke zu schätzen weiß und damit gut umgeht; der Vater darauf achtet, dass alles akkurat und ordentlich sitzt und die Kinder adrett sonntagsmorgens in der Kirche sind, dann hat Kleidung schon eine ganz besondere Bedeutung für einen. Auch heute fragt man sich ja, wofür man sich schön anzieht… Klar, für sich selbst, aber auch, dass man in die Gesellschaft passt und für verschiedene Veranstaltungen passend angezogen ist. So bin ich mit der Mode groß geworden, und meine Mutter hat viel genäht und gestrickt. Es gab ja damals nur Kaufhäuser, Mode-Boutiquen nur für Damen, Kinder-Geschäfte kamen ja dann erst so allmählich auf… Ich bin 1957 geboren, der Krieg war noch nicht lange vorbei, da gab es vereinzelt Mode-Boutiquen, aber nicht mit der heutigen Zeit zu vergleichen. Als ich dann meiner Mutter helfen konnte und in der Schule auch einen Handarbeitskurs hatte, sodass ich mit der Nähmaschine umgehen konnte, habe ich dann selbst Kleidungsstücke genäht. Und so hat sich das dann entwickelt. Der Spaß, die Leidenschaft, eine Idee umzusetzen… Die Geschäfte gaben das ja nicht her; heute gehen die jungen Leute einfach zu H&M oder Zara und finden alles, was sie sich wünschen. Damals musste man sich selbst was einfallen lassen! Man lacht heute darüber, aber wir haben uns Windeln aus dem schönen Baumwollstoff in Lila oder Grün eingefärbt, dann wurde noch was umhäkelt oder daraufgestickt, das war das Hippste, das man haben konnte. Die Leute in der Schule wollten das haben, was ich hatte; da war ich immer schon eine kleine Mode-Ikone. Durch den Umzug meiner Eltern bin ich dann in Münster gelandet. Nach der Pensionierung meines Vaters wollte die Familie wieder Richtung Westfalen ziehen, und im Münsterland haben meine Eltern ein Haus gefunden, in das die ganze Familie passt. So habe ich meine letzten Schuljahre in Münster verbracht. Mit 18 lernte ich dann meinen Mann kennen, der auch ein Entrepreneur – wie man das heute nennt – war; der hat einfach angefangen, Bücher zu machen, als Autodidakt. Und er hat mich auch in die Selbstständigkeit reingeschubst. Da war ein Ladenlokal frei, und dann sagte er, dass ich nicht immer davon reden soll, einen kleinen Laden aufzumachen, sondern es einfach machen soll. Da ich dieses Selbstbewusstsein und Vertrauen in das, was ich mache, hatte, habe ich gar nicht groß drüber nachgedacht. Ich wusste einfach, dass das funktioniert, weil eine andere Möglichkeit gab´s für mich gar nicht. Ich habe sehr viel gearbeitet – wobei, es ist ja gar keine Arbeit, es ist ja mein Hobby. Von Anfang an hat sich das unglaublich gut etabliert; ich war ja ein bunter Vogel mit einem eigenen Stil, das hat sich schnell herumgesprochen. So hat sich das durchgesetzt. Klar gab es Höhen und Tiefen; da wurde auch mal der Laden verkleinert, als es an die Familiengründung ging. Da mein Mann ja auch in der Aufbauphase seines Unternehmens war, bin ich so altmodisch und sage, die Frau steckt zurück. Ich fand es ja auch toll, die Kinder groß werden zu sehen und der Leidenschaft für das Reiten nachzugehen!
Schnell wurde aus der Boutique ein Maßatelier, das vor zwölf Jahren an den hippen Münsteraner Hafen umzogen ist. Hat sich Ihr Stil im Laufe der Jahre geändert?
Ich bin meinem Stil immer treu geblieben. Man hat das irgendwie im Blut, diese Farbigkeit, mit wertvollen und guten Stoffen zu arbeiten… Stücke, die langlebig sind, die Modejahre überleben; Mode, die zeitlos ist, die man gerne trägt, worauf man angesprochen wird, die den eigenen Stil unterstreicht. Das habe ich von Anfang an gemacht! Meine Töchter tragen jetzt wieder die Sachen, die ich mit 20 getragen habe – das ist ein großes Kompliment! Dass Kleidung von Generation zu Generation weitergegeben wird, das funktioniert nur mit Couture. Deswegen mache ich auch Couture, da passe ich rein: alles wird bei uns von Hand gemacht und maßgefertigt. Ich selbst sammle auch Couture-Mode von Chanel und Lagerfeld; solche Stücke trägt man immer wieder, auch meine Töchter…
In Ihren Kollektionen findet man sehr selten gedeckte Farben, die doch die deutschen Kundinnen mit Vorliebe tragen. Wie ermutigen Sie zur „Lieblingsfarbe Bunt“?
Das ist die große Frage, und dafür gibt´s auch gar kein Konzept. Vorleben… Es ist ganz lustig, dass ich mich gerade in dem konservativen Münster so durchgesetzt habe. Aber wenn ein Kleidungsstück dann so bewundert wird, die Umgebung ganz positiv darauf reagiert, dann traut man sich das eher. Es hat ja auch gedauert. Ich habe das vorgelebt, und es sind auch viele Menschen von außerhalb gekommen, aber der Münsteraner braucht ja immer ein bisschen, um sich an etwas heranzutrauen. Mittlerweile ist es selbstverständlich. Wenn Komplimente von außen kommen, sind das ja auch die größten Komplimente. Wenn die eigene Familie das toll findet, ist das der erste Schritt, aber wenn man auf der Straße auf die außergewöhnliche Mode angesprochen wird, ist das schon toll!
In Ihrer „Schatzkammer“ befinden sich eine Vielzahl ganz besonderer Stoffe und Borten. Wo und wie finden Sie immer wieder neue Inspiration?
Ich gehe immer mit offenen Augen durch die Welt, egal wo ich bin… Ich schätze andere Kulturen und Trachten, und wenn´s auch eine westfälische Tracht ist. Das sind so viele Lieblichkeiten dabei, so viele schöne Handarbeiten, wo man sich immer wieder was abgucken kann. Wie die Menschen mit den Mitteln, die sie damals hatten, so schöne Effekte erzeugt haben… Bordüren oder kleine Raffungen, sowas… Oder Bordüren aus Indien, die arbeiten sehr viel mit Goldfäden und Pailletten. Das passt manchmal sehr gut zu meinen klassischen Stoffen; fast so, als wären sie dafür gemacht.
Zweifache Mutter und Ehefrau, Unternehmerin und Künstlerin: Hat Ihr Tag mehr als 24 Stunden?
Ich denke immer, ein Wochenende ist so lang wie eine ganze Woche. Und am Sonntagabend habe ich nur ein Drittel von dem geschafft, was ich mir vorgenommen habe. Früher habe ich mich geärgert, aber mittlerweile freue ich mich über das, was ich dann doch geschafft habe. Aber manchmal wird´s schon viel: ein großer Haushalt, Hunde, Pferde…
Vielen denken bei Ihrem Namen sofort an die landesweit sehr erfolgreiche „Die Spiegelburg“-Edition des Coppenrath-Verlags. Haben Sie auch daran mitgearbeitet?
Mein Mann hat ja mit Büchern angefangen, und dann kam die Idee, dass die Kinder ihre Buchhelden als Plüschtier im Arm haben sollten. Damals haben wir unsere erste Tochter bekommen, und ich habe vieles selbst genäht. Meine Mutter machte dann auch noch einen Dackel – unser echter Dackel hieß Pippo, heute heißt er Lotti – aus Filz, den meine Tochter in den Arm bekam. Da hatten wir die Idee, den Namen „Die Spiegelburg“ zu wählen. Ich habe die ersten Sachen bei mir im Atelier genäht. Das war eine Sonder-Edition, sehr, sehr exklusiv. Meine Tochter hatte eine Tupfen-Hose an, und der Teddy bekam die gleiche. Heute arbeitet ein Kreativ-Team an der umfangreichen Kollektion. Ich bin Gründerin, sozusagen…
Sie sind in Wuppertal geboren, haben aber mehr als zwei Drittel ihres Lebens in Münster verbracht. Was macht für Sie den besonderen Reiz der Stadt aus? Gibt es vielleicht sogar ein paar Geheimtipps für meine Leser?
Der Reiz ist natürlich dieses Grün, die Promenade, der Aasee, und auch der historische Stadtkern, der nach dem Krieg so schön wiederaufgebaut wurde. Ich komme aus keiner schönen Stadt; Wuppertal wurde auch zerbombt, aber nicht so historisch wieder aufgebaut. Wir sind immer schon als Kinder auf den Weihnachtsmarkt nach Münster gefahren, und ich war fasziniert von diesen Türmen und diesen alten Steinen, dieses tolle alte Baumaterial. Dass ich jetzt in Münster gelandet bin, war ja nicht geplant, aber es ist eine Wohlfühl-Stadt. Von Münster aus ist auch alles gut erreichbar: Man ist schnell in Holland, schnell am Meer, an der Nordsee, in Großstädten, Düsseldorf, Köln, Frankfurt… Man ist so mittendrin. Dann das flache Land, man ist schnell im Grünen, sieht Kühe, Pferde, Felder… Man bekommt die Vegetation mit. Wir wohnen ja auch auf dem Land, und es ist ein Genuss, an den Feldern entlang in die Stadt zu fahren. Ist Heuernte, werden die Felder abgemäht – das bekommen die Städter ja gar nicht mit. Ich genieße das sehr! Und die Menschen kommen auch immer gern nach Münster. Da bummelt man gerne… Die Geheimtipps, gut der Hafen ist kein Geheimtipp mehr, aber hier am Wasser zu sitzen ist einfach wunderbar! Und die vielen kleinen Restaurants und Cafés in der Stadt, zum Beispiel „Pasta e Basta“ an der Kanalstraße. Und die Klassiker: „Pinkus Müller“, „Kiepenkerl“ und das „Alte Gasthaus Leve“. Und die vielen Bäckereien: das berühmte runde Sauerteig-Brot von „Tollkötter“; das schicke ich manchmal meiner Tochter nach Berlin, da freut sich die WG.
Die ersten Kläppchen am Adventskalender sind bereits geöffnet. Wie feiert die Familie Spiegelburg/Hölker Weihnachten? Gibt es einen bestimmten Brauch, auf den Sie nie verzichten würden?
Das Problem ist ehrlich gesagt, dass bei mir dann das Weihnachtsgeschäft läuft. Ich bin extremst eingespannt, leider Gottes, aber das Haus wird immer Ende November mit Tannengirlanden an den Treppen geschmückt, alles duftet nach Tannengrün. Meinen Töchtern habe ich Adventskalender selbst gebastelt, das hat meine Mutter auch schon immer für uns gemacht. Früher habe ich 24 kleine Säckchen an Filz-Schneemänner aus dem Coppenrath-Verlag genäht, mit kleinen Schokolädchen oder einer süßen Haarspange gefüllt. Als die Kinder dann größer waren, habe ich dann Luxus-Adventskalender gemacht, weil ich es nicht richtig fand, an Weihnachten so viele Päckchen aufzureißen und das Einzelne gar nicht mehr zu sehen. Also habe ich 24 Päckchen an eine Tannengirlande gebunden; es waren auch mal solche Dinge wie ein Parfüm von Chanel oder ein Gutschein zum Essengehen drin. Alles mit Herz! Das habe ich noch weiter verfeinert, weil 24 Päckchen mir immer noch zu viele waren. Jetzt mache ich fünf Päckchen: Eins für jeden Adventssonntag und eins für Nikolaus. Das sind dann auch richtig schöne Überraschungen, zum Beispiel ein toller Gürtel, oder etwas, das sie sich wünschen.
So, vielleicht habe ich dich ja inspiriert, deine Kleider-Auswahl auch mal etwas zu überdenken. Klar, ganz günstig sind die Kollektionen von Siggi Spiegelburg nicht, aber dafür hast du (und vielleicht ja sogar auch noch deine Kinder) lange was davon…
SIGGI SPIEGELBURG Couture, Hafenweg 28, 48155 Münster
https://www.instagram.com/siggi_spiegelburg_couture/