ODER: MIT DEM „HORTUS NETZWERK“ IN FÜNF SCHRITTEN ZUM NATURNAHEN GARTEN…
Wahrscheinlich hat dein Garten oder Balkon in den letzten Tagen auch für dich deutlich an Bedeutung gewonnen, oder? Zum einen ist er einer der wenigen Orte, an denen du dich derzeit noch komplett bedenkenlos aufhalten kannst; zum anderen ist ja ganz unbemerkt auch der Frühling gekommen, der mit wärmenden Sonnenstrahlen und sprießenden Pflanzen jeden noch so großen Frischluft-Muffel ins Freie lockt… Doch hast du schon mal darüber nachgedacht, dass du nicht der einzige Bewohner dieses Fleckchens Erde bist? Dass du vielleicht ein bisschen Platz machen könntest, damit andere auch noch welchen finden? Denn das ist dringend nötig und eigentlich auch gar nicht so schwer, wie ich bei meinem Besuch im „Hortus Hobbitus“ in Beckum feststellen konnte:
1. Fang klein an!
Wie groß dein „Hortus“ werden soll, das musst du anhand deiner zeitlichen und örtlichen Möglichkeiten selbst entscheiden! Für Petra Bücker aus Beckum stand direkt fest, dass es dieser über 2.000 Quadratmeter große, völlig verwilderte Garten sein musste, als sie vor knapp zehn Jahren ein neues Haus in der Region suchte.
Was du als Unkraut bezeichnen würdest, stand ihr bis zum Hals; dafür gab es einen Bestand mit über sechzig Jahre alten Lebens-, Efeu- und Obstbäumen, auf den du lange warten müsstest, wenn du ihn selbst anlegen würdest.
Der perfekte Ort, um Petra Bückers Traum vom naturnahen Garten umzusetzen. Zunächst mussten Wege freigemacht werden, um den „Urwald“ überhaupt begehbar zu machen. Stück für Stück hat sie auch begonnen, den Garten naturnah umzugestalten. Aber was heißt überhaupt naturnah?
Auch nach jahrelanger Arbeit wusste Petra Bücker noch nicht so richtig, wie man eine ehemals verwilderte Gartenfläche mit System umgestalten kann. Vielleicht hast du nur einen sehr kleinen Garten oder auch nur einen Balkon, den du möglichst naturnah gestalten möchtest und stehst trotzdem vor demselben Problem?
Bei Petra Bücker half wie so oft der Zufall aus: eine Bekannte erzählte ihr beim Gassigehen vom „Hortus Netzwerk“ – der „Hortus Hobbitus“ war geboren! Und auch aus deinem Refugium kann mit den richtigen Tipps ein wahres (Natur-)Paradies werden…
2. Netzwerke!
Das von Markus Gastl gegründete und im vergangenen Jahr als „UN-Dekade-Projekt“ ausgezeichnete „Hortus Netzwerk“ versorgt dich mit allen Informationen, die du rund um deinen naturnahen Garten brauchst: Hintergrundinformationen und Datenbanken zu Pflanzen und Tieren, Mini-Tipps für den Anfang und eine Karte mit den europaweit ca. 300 privaten Gärten der „Hortus“-Mitglieder, von denen viele – wie Petra Bücker – bereit sind, ihre Pforten zu öffnen und dir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Noch mehr Schwarmwissen gefragt!? Ideen und Inspirationen für die einzelnen Module, von denen du gleich noch lesen wirst, und weitere wertvolle Tipps findest du in der inzwischen über 8.000 Mitglieder zählenden Facebook-Gruppe. Doch bevor es an die Module gehen kann, ist eins ganz wichtig: Struktur!
3. Strukturiere!
Unterteile die dir zur Verfügung stehende Fläche in drei Zonen auf: Die Puffer-, die Hot-Spot- und die Ertragszone. Der Puffer grenzt deinen „Hortus“ nach Außen ab und schützt ihn. Außerdem bietet er tierischen Bewohnern ein geschütztes Zuhause, weshalb du dich für heimische Sträucher oder eine Totholzhecke entscheiden solltest!
Zu groß für deinen Balkon? Hier eignen sich besonders heimische Kräuter, die etwas höher wachsen als die anderen Zonen und wertvolles Futter für die „Stadt-Insekten“ bieten…
In der Hot-Spot-Zone muss der Boden regelmäßig „abgemagert“ werden; das heißt, du trägst die obere Mutterbodenschicht ab, streust etwas Sand aus und erschaffst so ein Hochgebirgsklima. Warum!? Hier wachsen heimische Blüh-Pflanzen besonders gut. Oder hast du auf einer Wildblumenwiese schon mal jemanden gesehen, der angereicherte, fruchtbare Blumenerde ausstreut?
Ein paar insektenfreundliche Blüten (bitte beim Kauf immer auf das entsprechende Schildchen achten oder nachfragen!), und schon hat der „Hortus“ wieder ein paar Bewohner mehr… Ach ja, dein Balkon: Der Hot-Spot sollte nun wirklich keine Probleme machen!?
Wenn wir das Motto „Schönheit – Vielfalt – Nutzen“ weiter verfolgen, weißt du als aufmerksamer Leser bestimmt sofort, welche Zone noch fehlt!? Richtig, die Ertragszone. Schließlich bist auch du ein Bewohner deines Gartens und möchtest deinen Nutzen daraus ziehen. Hier kannst du ganz nach Belieben und Jahreszeit (beim Balkon auch nach Platzbedarf der Pflanze) alles anbauen, was du nicht mehr im Supermarkt kaufen möchtest.
Und jetzt kommt der Trick: Damit alles besonders gut wächst, nutzt du einfach die Nährstoffe aus den anderen Zonen, mulchst den Boden und bringst Gartenabfälle auf die Erde rund um die Pflanzen aus. So kommst du komplett ohne Dünger aus – von Insektiziden müssen wir wohl gar nicht erst reden!? – und schaffst ein in sich geschlossenes System: Wenn dein Garten eingerichtet ist und funktioniert, musst du ihm nichts mehr zuführen und nichts mehr entnehmen (außer dein leckeres, gesundes Gemüse)! Petra Bücker hat ihre Biotonne längst abgemeldet…
4. Baue Pyramiden!
So, nachdem du die Drei-Zonen-Struktur geschaffen hast, darfst du endlich so richtig kreativ werden und an die Gestaltung der Module gehen: Kräuterspirale, Hummelhotel, Vogeltränke – der Fantasie (und der Anregungen in der Facebook-Gruppe) sind keine Grenzen gesetzt!
Besonders beliebt in den „Hortus“-Gärten (ja, ich weiß, dass „hortus“ „Garten“ heißt 😉) sind Pyramiden, weil sie einen vielfältigen Lebensraum bieten, schön zu gestalten und nützlich für Pflanzen wie Tiere sind.
In den letzten zwei Jahren hat Petra Bücker viel Zeit in das Modul „Teich“ investiert; nun wird sie mit den ersten Seerosen und Wasserinsekten belohnt.
Neuestes Projekt im „Hortus Hobbitus“ ist ein „Sandarium“: Nachdem es in den letzten Wochen liebevoll eingerichtet wurde, wartet es nun auf den Einzug von Wildbienen und anderen Insekten, die ihre Eier im Boden ablegen.
Wie du wahrscheinlich schon bemerkt hast, wird (fast) alles im „Hortus“-Garten aus bereits vorhandenem Material gebaut. Was du selbst nicht hast, kannst du (häufig sogar kostenlos) über Kleinanzeigen oder die Nachbarschaft besorgen. Und wenn du dann dem ehemaligen Besitzer noch ein Foto davon schickst, was aus seinem alten Baumaterial geworden ist, ist die Freude sicherlich auf beiden Seiten groß!
5. Lass es geschehen!
Selbstverständlich macht die Einrichtung eines naturnahen Gartens erstmal etwas Mühe… Aber wenn dann erstmal alles soweit ist, kannst du dich ganz entspannt zurücklehnen und genießen. Unkraut zupfen und den englischen Rasen mit der Nagelschere nachschneiden entfällt! Ja, das muss der Ein oder Andere auch erstmal aushalten; vielleicht hilft ja der Gedanke, dass es gar kein „Unkraut“ gibt!?
Petra Bücker nimmt sich jedes Jahr ein neues Modul vor; ansonsten hält sie nur die Wege frei… So hat sie viel mehr Zeit, die ganzen Bewohner ihres Gartens in Ruhe zu betrachten: Seltene Gäste wie den Schwalbenschwanzschmetterling oder die riesige Heuschrecke, den sich in der Sonne wärmenden Wollschweber, die Hühner in der Nutzzone, die sie aus der Legebatterie gerettet hat, und ihren Hund Frodo, der an der Namensgebung für den „Hortus Hobbitus“ nicht ganz unschuldig war 😉
Wenn du dir Anregungen vor Ort holen möchtest, nimm gern Kontakt zu Petra Bücker oder den anderen „Hortus”-Gartenbesitzern auf:
https://www.facebook.com/groups/284132541750728/
Das Foto von der Heuschrecke wurde mit freundlicher Unterstützung zur Verfügung gestellt von: Petra Bücker, Beckum
Ein Kommentar
Wunderbare Idee, leider nicht überall verwirklichbar, da Vorschriften über Gartenpflege im Kleingartengebiet einzuhalten sind. Aber Einiges kann man sich trotzdem abschauen. Pflanzenreste wieder zu Erde werden lassen, Wildbienenforcieren, Gift meiden, Schutzraum für Vögel und Insekten schaffen, Nektar- und Pollenreiche heimische Pflanzen bevorzugen, Steinhaufen für Reptilien sich selbst überlassen, unsw….. .
Hoffentlich finden immer mehr Menschen daran Freude, mit der Natur zu leben und nicht gegen sie. Es liegt in den Augen des Betrachters, was als schön empfunden wird. Doch Ruhe, Frieden und Zufriedenheit sind Nahrung für die geschundene Seele in unserem unruhigen, hektischen Zeitalter.